Liebe Eltern, liebe Schulgemeinschaft,
einen für die AfD angetretenen Oberbürgermeister (OB) zu einem Schulfest – vier Tage vor einem so wichtigen Wahltermin wie am 9. Juni 2024 – einzuladen, darf man nicht nur kontrovers diskutieren – man muss es sogar!
Wer mich kennt weiß, dass Willy Brandts Worte „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ für mich nicht nur Worte sind, sondern dass ich diese Worte auch lebe – auch jetzt hier in diesem Moment, in dem ich dies hier schreibe.
Lesen Sie hier, warum ich mich gegen die Einladung des Pirnaer OBs zu unserem Schulfest positioniere:
Es gibt zum einen nicht ohne Grund den nach wie vor gültigen Erlass des Sächsischen Kultusministeriums vom 24. Februar 2016 zur Durchführung von Veranstaltungen mit Politikern an öffentlichen Schulen Erlass zur Durchführung von Veranstaltungen mit Politikern an öffentlichen Schulen (sachsen.de). In diesem heißt es in Ziffer IV u.a., dass in den letzten vier Wochen vor einer Kommunalwahl oder einer Landtagswahl im Freistaat Sachsen oder einer Wahl zum Europäischen Parlament von der Teilnahme von politischen Mandatsträgern wie auch von Wahlbewerbern im Unterricht und an sonstigen schulischen Veranstaltungen mit regulärer Teilnahme von Schülerinnen und Schülern grundsätzlich abzusehen ist. Unberührt davon bleibt u.a. die dienstlich veranlasste Teilnahme von Mitgliedern der Verwaltung des Schulträgers.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt: Wozu bedarf es einer proaktiven Einladung an den OB, wenn seine Teilnahme am Schulfest (u. U.) dienstlich veranlasst ist?
Als Demokratin ist mir Dialog wichtig – auch mit Menschen, die andere politische Ansichten als ich teilen. Wer aber für eine Partei antritt, die verfassungsfeindlich agiert und deren Landesverband Sachsen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wurde (Anmerkung: nicht „zu Teilen“, sondern der AfD-Landesverband als Ganzes), der seinen Worten "Mich trennt von der AfD gar nichts – außer das Parteibuch" auch Taten folgen lässt (Vergleich des Hissens der Regenbogenfahne mit der Hakenkreuzfahne im Dritten Reich, Verweigerung des Festakts und der Nutzung des Ratssaals anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes unter Missachtung eines Mehrheitsbeschlusses des Pirnaer Stadtrats), der hat sich bereits so weit von unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfernt – diesen OB wird auch die anlässlich des Schulfestes am FSG gehisste Regenbogenfahne nicht „zurückholen“.
Ganz im Gegenteil – hier wird für mich aus dem Demokratiewagnis ein unkalkulierbares Risiko. Nämlich das Risiko, dass ein für die AfD gewählter OB eine Bühne erhält – vier Tage vor den Kommunal- und Europawahlen. Die Bühne als für die AfD für Stadtrat und Kreistag Kandidierender und als Vertreter der Partei, deren Zielstellung der Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union ist! Aus meiner Sicht ein fatales Zeichen in die Schulgemeinschaft hinein, nicht nur aber eben auch insbesondere, weil das FSG eine Schule mit deutsch/tschechischem Profil sowie Europaschule ist.
Demokratie zu wagen, hätte ich mir im Zusammenhang mit dem Schulfest sehr viel früher am FSG gewünscht – nämlich, in dem man die Schulgemeinschaft in die Entscheidungsfindung bzgl. einer evtl. Einladung des OB einbezogen hätte. Für mich bedeutet Demokratie insbesondere die Möglichkeit zur Teilhabe – Teilhabe am Diskurs, am Aushandeln von Kompromissen, die zu Entscheidungen führen, die ein möglichst großer Teil der davon Betroffenen mittragen kann.
Wenn jedoch die Schulgemeinschaft erst in der Woche vor dem Schulfest von der Einladung erfährt, ohne am Entscheidungsfindungsprozess beteiligt gewesen zu sein – dann werden wir dem Anspruch des FSG, eine demokratische Schule sein zu wollen, nicht gerecht!
Die Schulgemeinschaft in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und sich mit den unterschiedlichen Meinungen auseinanderzusetzen, wäre sicher ein anstrengender Prozess gewesen, aber es wäre aus meiner Sicht der bessere Weg gewesen. Stattdessen tragen wir diesen Prozess nun wenige Tage vor dem Schulfest in Standpunktschreiben und Offenen Briefen aus.
Neben dem Standpunktschreiben der Schulleitung gibt es den gemeinsamen Offenen Brief von Schüler/-innen, ehemaligen Schüler/-innen, Lehrkräften, Eltern und sonstigen dem FSG verbundenen Menschen – und ja, auch ich habe diesen Brief unterzeichnet, welche die Ausladung des OB fordert. Ich danke den Verfasser/-innen dieses Briefs für ihre Form, Demokratie zu wagen, für ihre Auseinandersetzung mit unserem FSG-Leitbild und den damit eingeleiteten Diskurs! Und natürlich gilt auch mein Dank der großen Anzahl der Mitunterzeichnenden!
Ich gehe davon aus, dass OB Lochner inzwischen von beiden Briefen Kenntnis hat. Es sollte ihm also klar geworden sein, welche Kontroversen im Zusammenhang mit der Einladung seiner Person am FSG aktuell aufeinanderprallen. Als Dienstherr des Schulträgers, der seine Dienstpflicht ernst nehmen und verantwortungsbewusst damit umgehen sollte, sollte der OB von sich aus auf seinen Besuch am 5. Juni 2024 anlässlich des Schulfests verzichten. Das wäre ein positives Signal in Richtung der Schulgemeinschaft.
Die Schulgemeinschaft sollte dann im nächsten Schritt in den gemeinsamen Diskurs eintreten, welchen Umgang wir mit dem OB als Dienstherren unseres Schulträgers künftig pflegen werden.
Eine Bitte zum Schluss: Sollte der OB von seinem Besuch des Schulfestes nicht absehen – liebe Schüler/-innen, liebe Eltern, liebe Lehrkräfte, die Sie den Besuch genauso kritisch sehen wie ich: Kommen Sie bitte trotzdem zum Schulfest – gebt/geben Sie dem OB nicht die Macht, uns quasi auszuladen! Lassen Sie uns gemeinsam zeigen, dass wir am FSG mehrheitlich für Antidiskriminierung und Antirassismus, für Toleranz, Weltoffenheit und Vielfalt stehen!
Ich werde auch da sein – so oder so. Besuchen Sie mich/uns bitte am Stand des Elternrats.
Anett Schlenkrich, 2. Juni 2024
Vorsitzende des Elternrats (ehrenamtlich engagierte Demokratin und in keiner Partei aktiv)